Was ist ein Senpai: Das Senpai-Kōhai-System erklärt

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Wer Anime schaut oder Manga liest, ist mit dem Begriff senpai 先輩 sicherlich schon in Berührung gekommen. Meist bezeichnet er eine ältere Person, beispielsweise einen älteren Schüler in einem schulischen Setting. Aber was ein Senpai ist und die damit verbundene Kultur ist noch weitaus differenzierter; tief verwurzelt in der hierarchischen Gesellschaft Japans.

Was sind Senpai und Kōhai?

Ganz grundlegend bedeutet Senpai “Senior” und das Gegenstück, kōhai 後輩, bedeutet “Junior”. Senpai beschreibt eine höherstehende Person, und zwar im Kontext von Schule, Arbeit, Sportverein oder sozialer Organisation. Sie sollen für ihre Kōhai als Mentor fungieren und Verantwortung für sie übernehmen. Allerdings kann der Grad dieser Beziehung variieren, abhängig von Rahmen und Umfeld der Beziehung.

Geschichte der Hierarchie

Um zu verstehen, was ein Senpai ist, muss man zunächst die Bedeutung der Hierarchie in der japanischen Gesellschaft verstehen.

Der Ursprung dieser Hierarchie ist vielfältig, wobei eine der Quellen Konfuzianismus ist. Zusammen mit dem Buddhismus hatte der Konfuzianismus einen großen Einfluss auf Japan, und diese Einflüsse sind bis heute sehr präsent. Im Konfuzianismus basiert die Gesellschaft auf einem hierarchischen System, welches die Rolle einer Person anhand ihrer Position in der Gesellschaft bestimmt. Pietät, Loyalität und Gehorsam sind wichtige Säulen des konfuzianischen Glaubenssystems.

Das bedeutet innerhalb eines Haushalts zeigen Familienmitglieder mit niedrigerem Rang Gehorsam und Pflicht gegenüber den höherstehenden Personen. In einer traditionellen japanischen Haushaltsstruktur steht der Vater an der Spitze der Familie, gefolgt von seinem ältesten Sohn. Wenn er mehrere Söhne hat, werden sie nach ihrem Alter eingestuft, gefolgt von der Mutter. Die Frauen im Haushalt werden dann in absteigender Reihenfolge des Alters eingestuft.

Im Mittelalter war Japan eine feudale Nation, die auf dem traditionellen patriarchalischen System basierte. Der Kaiser saß an der Spitze der Hierarchie, gefolgt von der Adels- und Kriegerklasse. Diese Klasse umfasste, in absteigender Reihenfolge: shōgun 将軍 (General), daimyō 大名 (Feudalherrscher) und samurai 侍. Unten in der Hierarchie befanden sich Bauern und Kaufleute. 

In Zeiten der Moderne wurde das Feudalsystem immer weniger relevant, da immer mehr Menschen in die rasant wachsenden Stadtzentren zogen. Hierarchische Strukturen haben die Gesellschaft jedoch nie verlassen.

Schüler in einer Bibliothek

Senpai-Kōhai-Beziehungen im Bildungssystem

Im heutigen Japan ist diese hierarchische Struktur in vielen Teilen der Gesellschaft vorhanden. Da es eine typische Darstellung in Anime und Manga ist, erhalten viele Nicht-Japaner ihren ersten Einblick in die Beziehungen zwischen Senpai und Kōhai wahrscheinlich im Bildungssystem.

Besonders verbreitet ist das System in Sportvereinen und außerschulischen Aktivitäten, genannt bukatsu 部活. Zu den Aufgaben eines Kōhai gehören Assistieren und Aufräumen. Zum Beispiel ist es üblicherweise Aufgabe der Kōhai, Ausrüstung für ein Sportspiel vorzubereiten und anschließend aufzuräumen.

Kōhai müssen ihre Senpai zuerst begrüßen und dabei keigo 敬語 verwenden. Respekt zu zeigen ist wichtig, man muss also auf die Übergeordneten hören, ihnen gehorchen sie entscheiden lassen, wo sie zuerst sitzen möchten. In extremen Fällen sollen Kōhai auch die Uniformen der Senpai waschen und erst essen, wenn ihre Senpai fertig sind.

Zwei Passanten überqueren die Straße

Senpai in der Arbeitskultur

Der Senpai-Status am Arbeitsplatz wird von vielen Aspekten bestimmt, einschließlich der Dauer der Beschäftigung in dem Unternehmen, der Erfahrung, des Alters, des Eintritts in das Unternehmen und mehr.

Ein Senpai kann dabei helfen, Kōhai auszubilden, kann ihnen Ratschläge geben und manchmal leiten (zum Beispiel in Projekten). Von Kōhai wird erwartet, dass sie den Anweisungen ihres Senpai folgen, auch wenn der Senpai nicht ihr Vorgesetzter ist. Die Senpai-Rolle ist keine offizielle, im Gegensatz zur Manager- oder Chefposition. Ein Senpai kann auch ein Kollege sein, der einfach früher als man selbst im Unternehmen angefangen hat.

Kurz gesagt: Die Senpai-Kōhai-Beziehung ähnelt eher einer Mentor-Schützling-Situation als einer Chef-Mitarbeiter-Situation.

Respekt ist maßgeblich: Von Kōhai wird erwartet, dass sie gegenüber ihrem Senpai stets Keigo verwenden (Keigo ist am Arbeitsplatz ohnehin üblich) und ihrem Senpai immer Vorrang geben. Das bedeutet Kōhai nehmen nicht die gleichen Urlaubstage, nehmen eingehende Anrufe entgegen und machen nicht als erster Feierabend.

Wenn Senpai und Kōhai essen gehen, bezahlt der Senpai normalerweise Essen und Trinken. Auf Trinkpartys, oder nomikai 飲み会, wird von Kōhai erwartet, dass sie für ihre Senpai und andere höherstehende Personen die Getränke einschenken. Von ihnen wird auch erwartet, dass sie andere im Unternehmen fragen, wo sie lieber sitzen möchten und die Reservierung machen. Beim hanami, der Kirschblütenschau, wird vom Kōhai erwartet, dass er für die Party einkauft und einen Platz reserviert.

In unserem Artikel kannst du noch mehr darüber lesen, wie die Japaner Hanami feiern.

Lebenslanger Begleiter

Auch wenn die Senpai-Kōhai-Beziehung in der Schule endet, wenn der ältere Schüler seinen Abschluss hat, so dauert die Arbeitsbeziehung noch ein Leben lang. Im Gegensatz zu vielen westlichen Ländern ist es in Japan nicht üblich, seinen Arbeitsplatz öfter zu wechseln. Sofern Kōhai oder Senpai das Unternehmen also nicht verlassen, ist es eine lebenslange Beziehung.

Mehr Einblicke in die japanische Arbeitswelt findest du in diesem Artikel. Folge unserem Blog für weitere Artikel über die japanische Kultur und Gesellschaft.

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