Wer an die japanische Arbeitskultur denkt, hat vor allem die lange Arbeitszeit mit unbelohnten Überstunden und die Überarbeitung im Kopf. Dabei bietet die japanische Arbeitskultur auch jede Menge interessante Aspekte, die vor allem für Ausländer von Bedeutung sind, die eines Tages für ein japanisches Unternehmen in Japan arbeiten möchten.
Beachte, dass diese Beispiele nur einige der häufigsten Traditionen und Praktiken japanischer Unternehmen sind und jedes Unternehmen individuell ist, mit eigener Kultur und Arbeitsweise.
Senpai und kōhai Hierarchie
Senpai 先輩 und kōhai 後輩 bedeutet „Senior“ und „Junior“, und diese Hierarchie ist nicht nur am Arbeitsplatz vorhanden, sondern ein Teil aller Beziehungen in der japanischen Gesellschaft. Ein senpai ist in der Regel älter und von höherem Status, oder schon länger bei der Firma angestellt. Er stellt im Prinzip eine Art Mentor für seine kōhai dar, auch wenn nicht alle senpai ernsthaft und wohlwollend ihre jüngeren Kollegen betreuen.
Diese Hierarchie bestimmt alle unausgesprochenen Regeln der japanischen Arbeitskultur, einschließlich des Sitzplatzes beim Meeting, das Verhalten bei Firmenfeiern und welche Höflichkeitsform angemessen ist.
Als Außenstehender kann diese Etikette der senpai und kōhai Hierarchie etwas verwirrend sein, aber in dem entsprechenden Umfeld gewöhnt man sich sehr schnell daran.
Pünktlichkeit
Pünktlich zu sein ist in Japan unerlässlich. Das macht sich auch im Alltag bemerkbar, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo Bahnen einem strengen Fahrplan folgen und selbst die geringste Verspätung zu übermäßigen Entschuldigungen führt. Verspätung wird als große Unannehmlichkeit für die Leute angesehen, die noch warten müssen. Wenn dein Chef sagt, dass die Besprechung um 9 Uhr morgens stattfindet, solltest du also bereits um 8:50 Uhr für das Meeting bereit sein (welches aber pünktlich um 9 Uhr anfängt). Dasselbe gilt für die Arbeitszeit – Pünktlich sein bedeutet mindestens 10 Minuten vor der offiziellen Startzeit anzukommen.
Ironischerweise hält sich diese strikte Pünktlichkeit aber manchmal nicht bis zum Ende des Meetings, und du wirst dich möglicherweise viel länger als erhofft in einem Konferenzraum aufhalten müssen!
Visitenkarten austauschen
Der Austausch von meishi 名刺 (Visitenkarten) ist essentiell für die japanische Arbeitskultur. Auch dieser Prozess ist abhängig von Dienstgrad und Rang, wodurch die Reihenfolge bestimmt wird: Diejenigen mit höherem Rang tauschen zuerst ihre Karten aus und dann geht es entsprechend nach Rang abwärts weiter.
Über die Regeln beim Austausch von Visitenkarten könnte man ein ganzes Buch schreiben, aber hier sind zumindest einige wichtige Dinge, die du niemals tun solltest:
- Die Visitenkarte sofort in die Tasche oder ins Portemonnaie stecken. Das ist ein Zeichen der Respektlosigkeit gegenüber der Person, von der du die Visitenkarte bekommen hast. Üblicherweise behält man die Visitenkarten für den Verlauf des Meetings vor sich, angeordnet nach den Sitzplätzen der Personen.
- Die Visitenkarte nach Erhalt nicht lesen. Außerhalb Japans mag es normal sein die Karte kurz zu überfliegen, aber in Japan sollte man die Visitenkarte des Gegenübers sorgfältig durchlesen.
- Die Karte nicht mit der Vorderseite zur anderen Person zeigend übergeben. Deine meishi ist im Grunde genommen dein „Gesicht“, also verdecke es nicht.
- Die Karte der anderen Person mit den Händen bedecken. Noch wichtiger als dein eigenes „Gesicht“, ist das „Gesicht“ der anderen Person, also achte darauf die Vorderseite der Visitenkarte nicht mit deinen Händen zu überdecken.
- Keine Visitenkarten zum Austauschen dabei haben. Nimm für ein Meeting immer ausreichend Visitenkarten mit. Wenn du doch mal in so eine Situation geratest, kannst du sagen, dass dir die Karten ausgegangen sind, sie aber zurzeit nachgedruckt werden. Aber in Wirklichkeit kennt jeder die wahre Bedeutung dieser Ausrede!
Omiyage kaufen
Das Wort „omiyage“ お土産, bezieht sich auf Souvenirs (in der Regel Essbares), die von Reisen als Geschenk mitgebracht werden. Omiyage-Läden findest du überall in ganz Japan. Wer die Stadt verlässt, bringt üblicherweise eine hübsch verpackte Schachtel mit Süßwaren oder Snacks für die Kollegen mit. Je nach Firmenkultur kann es als äußerst unhöflich angesehen werden, wenn den Kollegen nichts mitgebracht wird. In einigen Unternehmen ist der Kauf von Omiyage für die Mitarbeiter auch ein Zeichen der Wertschätzung, dass sie Urlaub machen durften.
Verschenken von ochūgen und oseibō
Ochūgen 御中元 und oseibō 御制帽 bezeichnen saisonale Bräuche des Schenkens, bei denen einem Kunden oder Geschäftspartner ein Geschenk geschickt wird, um ihm für die Geschäftsbeziehung zu danken. Ochūgen werden normalerweise im Juli verschickt, während Oseibō im Dezember verschickt werden.
Auch außerhalb des Arbeitsplatzes werden diese Geschenke gemacht, wenn man jemandem Dankbarkeit zeigen möchte.
An nomikai teilnehmen
Die japanische Arbeitskultur beinhaltet auch ein sehr eigentümliches Element, nämlich nomikai 飲み会, oder auch Trink-parties. Zwar zwingt dich niemand zur Teilnahme, es wird aber für den Aufbau guter Beziehungen innerhalb der Firma erwartet.
Nengajō verschicken
Nengajō 年賀状 sind Neujahrskarten, welche ähnlich wie Weihnachtskarten jährlich an Kollegen, Freunde und Familie gesendet werden. In der japanischen Arbeitskultur werden Neujahrskarten zwischen Kollegen sowie an Kunden und Geschäftspartner gesendet.
Die Karten zeigen oft das chinesische Tierkreiszeichen des neuen Jahres; Karten für 2020 zeigten beispielsweise die Ratte und Karten für 2021 werden den Ochsen abbilden.
In die Karten schreibt man oft Standardsätze, wie zum Beispiel:
明けましておめでとうございます
Akemashite omedetōgozaimasu
Frohes Neues Jahr!
昨年はお世話になりました
Sakunen wa osewa ni narimashita
Vielen Dank für Ihre Unterstützung im vergangenen Jahr.
今年もよろしくお願いします
Kotoshi mo yoroshiku onegaishimasu
Ich freue mich darauf, dieses Jahr wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Lies mehr über das japanische Neujahr und wie es gefeiert wird.
Ein Job fürs Leben
Während es bei uns normal und akzeptabel ist den Arbeitsplatz mehrmals im Leben zu wechseln, wird das in Japan oft nicht gerne gesehen. Stattdessen übernehmen japanische Arbeitnehmer eine lebenslange Beschäftigung, oder shūshin koyō 終身 雇用, bei der sie voraussichtlich bis zu ihrer Pensionierung in einem Unternehmen bleiben. Im 20. Jahrhundert war dieses System sehr beliebt, aber viele Unternehmen gaben diese Tradition nach der globalen Finanzkrise im Jahr 2007 auf, als sie viele Menschen entlassen mussten. Darüber hinaus bringen junge Menschen Unternehmen dazu sich zu ändern und anzupassen, indem heutzutage mehr Absolventen ihren ersten Job innerhalb von drei Jahren kündigen.
Es gibt noch viele andere Traditionen, Praktiken und Etikette in Bezug auf die japanische Arbeitskultur, aber diese 8 sind am weitesten verbreitet und du wirst ihnen bei der Arbeit in einem japanischen Unternehmen mit Sicherheit einmal begegnen. Wie bereits zu Anfang erwähnt ist jedes Unternehmen anders. Sei also wachsam, achte auf das Verhalten deiner Kollegen und frag nach, wenn du dir bei irgendetwas unsicher bist. Das Arbeitsleben ist letztendlich auch ein Lernprozess, also mach dir nicht zu viele Gedanken darüber, alles sofort richtig zu machen.
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