Eine Sache der Erziehung – Höflichkeit in Japan

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Stäbchen liegen flach auf einem Tisch in einem Umschlag mit Omotenashi-Design aus Papier.

Wenn man sich mit den kulturellen Eigenheiten Japans und seiner Bewohner beschäftigt, kommt man an ein paar großen Schlagworten kaum vorbei: Ordnung, Disziplin, Höflichkeit und Respekt, sowohl gegenüber anderen Menschen als auch gegenüber Dingen. Solche Begriffe sind auf eine ganze Nation angewendet immer auch ein Klischee, doch trotzdem  stößt man als Tourist oder Student nach der Einreise schnell auf erste Anzeichen, dass doch irgendetwas hinter diesem Bild stecken muss. Dabei sind Freundlichkeit und Verfügbarkeit von Verkäufern und Gastronomen nur ein kleiner Teil, der viel gerühmten Höflichkeit in Japan.

Vor den Augen der Welt

Ein Ausdruck der japanischen Höflichkeit und des Respekts zeigt sich regelmäßig öffentlichkeitswirksam bei den Fußballweltmeisterschaften. Alle vier Jahre werden japanische Fans gezeigt, die nach den Spielen ihrer Mannschaft ihren Bereich des Stadions gründlich reinigen. Bei der Weltmeisterschaft in Russland 2018 wurden ferner Bilder veröffentlicht, auf denen die Kabine des japanischen Teams nach einem Spiel zu sehen war. Auf diesen war die Spielerkabine komplett ordentlich hinterlassen und ein russischer Dankesgruß aufgestellt worden.

Nichts anderes passiert auch zuhause in Japan nach jedem Baseballspiel (yakyū 野球, japanischer Nationalsport), beim Kampfsport im Dojo, etc.

Verantwortung von Anfang an

Im japanischen Bildungssystem werden Kinder von der Grundschule an daran gewöhnt, respektvoll mit Menschen und Dingen umzugehen. So reinigen die Schüler beispielsweise nach dem Unterricht oder Mittagessen zusammen ihre Klassenräume und andere gemeinsam genutzte Bereiche der Schule.

Am Ende des Schuljahres sind die Kinder ferner dazu angehalten, am großen Reinemachen teilzunehmen (vergleichbar mit unserem Frühjahrsputz). Dieser Brauch trägt den Namen ōsōji (大掃除) und findet in Japan allerdings am Jahresende statt. Dabei wird ein Haus oder Geschäft gründlich gesäubert, um so rein und sauber ins neue Jahr zu starten.

Auch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist man bestrebt, Kinder an diesen und anderen Aufgaben wachsen zu lassen. Doch in Japan ist dies ein fest in das Erziehungssystem integrierter, unverzichtbarer Baustein in der Kindererziehung. Die Kinder sollen so lernen, sich um alles was sie nutzen und was sie betrifft zu kümmern. Dies beginnt beim eigenen Tisch im Klassenzimmer und geht bis zu geteilten Materialien im Schulalltag, in der Bibliothek oder in der Turnhalle. Diese Praxis soll das Wachstum hin zu verantwortungsbewussten Menschen fördern, die Mitmenschen und Dingen mit Höflichkeit und Respekt begegnen.

Ein weiterer Wert, der an die Kinder weitergegeben wird, ist, dass in einem Land wie Japan mit über 120 Millionen Einwohnern nicht ständig Ausnahmen gemacht werden können. Denn würde jeder dies für sich in Anspruch nehmen, wäre ein gemeinschaftliches Leben auf dem engen Raum Japans kaum möglich. Daher genießt die Einhaltung von Regeln einen hohen Stellenwert in Japan, um dies zu ermöglichen. Kinder werden zum Beispiel durch das Tragen von Schuluniformen früh hieran gewöhnt.

Omotenashi

Einige Aspekte der Höflichkeit in Japan können besser verstanden werden, wenn man ein Gefühl für den Begriff omotenashi (お持て成し) bekommt. Omotenashi ist ein Begriff der für die japanische Gastfreundschaft steht und so nicht zufällig zur Werbung für Olympia 2020 herangezogen wurde. Dem Gast soll in Japan durch Gesten und formalisierte Rituale das Gefühl gegeben werden, dass sein Besuch an sich bereits geschätzt wird. Wie vieles hat auch diese Medaille zwei Seiten und was bei Freunden, im Badehaus oder im Café noch authentisch wirkt, klingt im Kaufhaus oder Supermarkt schnell wie eine leere Formel, die nichtsdestotrotz nicht zu entbehren ist. Denn auch wenn es häufig nur auswendig gelernte Phrasen sind, handelt es sich noch immer um gezeigte Höflichkeitsbekundungen.

Diese Eindrücke prägen für Besucher dann das Bild der gelebten Höflichkeit in Japan. Selten trifft man auf Unhöflichkeiten, noch seltener auf Pöbeleien oder gar auf öffentliche Anfeindungen. Auch diese Erfahrungen kann man in Japan machen, doch viel prägender ist meist die Erinnerung an die stets höflich, umsichtig und ruhig agierenden Bewohner Japans.

Die Grundsteine hierfür werden wie gezeigt schon von Kindesbeinen an geübt. Und so stecken die vielbeschworenen japanischen Tugenden von Höflichkeit und Respekt in so ziemlich jedem Japaner in irgendeiner Form. Von hier an liegt der Ball bei dir, diese Werte zu erwidern und so deine eigenen tollen Erfahrungen vor Ort zu machen.

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